Bevor du eine Geldanlageentscheidung triffst, stellst du dir vermutlich die Frage: Wie viel von meinem Geld sollte ich investieren und wie viel behalte ich auf meinem Konto? Pauschal lässt sich das leider nicht beantworten. Mit unserem einfachen Treppensystem wollen wir dir aber eine Möglichkeit an die Hand geben, wie du dein Vermögen clever strukturieren kannst, um bessere Finanzentscheidungen treffen zu können.
Die Basics: Was du vorher regeln musst
Das Treppensystem soll dir einen Überblick über deine Finanzen und Vermögensziele geben. Dafür haben wir dir eine Vorlage als PDF zum Selbstausfüllen am Ende des Artikels bereitgestellt. Allerdings ist es wichtig, dass du im Vorfeld drei Aspekte für dich abgesteckt hast.
1. Du solltest genau wissen, wie viel liquides Geld du zur Verfügung hast
Dazu zählt das Geld, das du auf deinem Girokonto geparkt hast wie auch Bargeld, Tagesgeld, Bausparverträge und Festgelder. Hinzu kommen eventuelle Zahlungen, wie zum Beispiel Boni, ein Erbe oder Auszahlungen aus Lebensversicherungen, die du innerhalb der nächsten Jahre erhältst.
2. Ermittle deine Risikobereitschaft
Welcher Anleger:innen-Typ du bist, kann anhand einer Risikoprofilierung herausgefunden werden. Sie besteht idealerweise aus vier Faktoren, die zur Hälfte der Finanzpsychologie und zur Hälfte der Finanzmathematik zugeordnet werden können. Dabei deckt die Risikobereitschaft – also dein Wille, Verluste in Kauf zu nehmen, um Gewinne zu erzielen – und die Risikowahrnehmung – also deine Bewertung von finanziellen Risiken – die psychologische Seite des Risikos ab. Die finanzmathematische Dimension zeigt sich in der Risikokapazität – also die Höhe des Vermögens, die du riskieren kannst, ohne die für dich notwendige Liquidität zu gefährden – und im Risikobedarf – sprich die Höhe des Risikos, das du eingehen müsstest, damit du dein selbst gestecktes Ziel erreichst. Mit deinem ermittelten Score kannst du dann herauszufinden, wie viel deines Vermögens du maximal risikoreich anlegen solltest. Hier kannst du kostenlos deinen Anleger:innen-Typ ermitteln.
3. Anlageziele definieren
Es ist wichtig, dass du dir Gedanken darüber machst, wofür du in den nächsten Jahren Geld benötigst und was dabei nicht durch deine Einnahmen gedeckt wird. Darunter können zum Beispiel folgende Bereiche fallen:
- Rücklagen
- Notgroschen
- Umzug
- Familie
- Weltreise
- Sabbatical
- Eigenkapital für eine Immobilie
- Neues Auto
- Altersvorsorge
- etc.
Ziel des Treppensystems
Das Treppensystem soll dir eine klare Übersicht durch Unterteilung verschaffen und somit verhindern, dass du mit den zahlreichen (Investitions-)Möglichkeiten überfordert bist. Das Ziel ist also ein sicherer und strategisch geplanter Umgang mit deinem wachsenden Vermögen.
Als Symbol haben wir die Treppe gewählt, damit du visuell Stück für Stück, Stufe für Stufe voranschreiten kannst. Je höher die Stufe, desto länger der Anlagezeitraum und damit eventuell auch das Risiko der Anlage. Fangen wir anhand eines Beispiels an, das Prinzip des Treppensystems anzuwenden!
Unser „Musterpaar“ Nadia und Paul:
Nadia und Paul haben zusammen bereits 100.000 € zur Verfügung und möchten zusätzlich 1.000 € pro Monat sparen.
Stufe 1: Girokonto
Auf deinem Girokonto sollte sich Geld für zwei Monatsausgaben, sprich für deine Fixkosten befinden. Du hast dir bisher noch gar nicht ausgerechnet, wie viel du daher ganz konkret zur Seite legen solltest? Dann ist jetzt der richtige Zeitpunkt dafür! Wir haben dir eine Excel erstellt, mit der du dir einen Überblick verschaffen kannst (Download der Excel-Tabelle für Einnahmen und Ausgaben). Es gibt aber auch digitale Tools, wie zum Beispiel Finanzguru, die dich dabei unterstützen, deine monatlichen Einnahmen und Ausgaben zu tracken.
Nehmen wir an, Nadia und Paul haben monatlich Ausgaben von 2.000 € pro Person. Dann sollten sie optimalerweise 8.000 € auf zwei separaten oder einem gemeinsamen Girokonto zurückgelegt haben.
Stufe 2: Notgroschen
Der Notgroschen dient – wie es der Name schon andeutet – Notfällen: Dein Kind braucht dringend einen neuen Schulranzen, die Waschmaschine geht unerwarteterweise kaputt oder jemand in deinem Umfeld braucht unbedingt finanzielle Unterstützung. Für diese Fälle solltest du drei bis sechs Nettogehälter auf Tagesgeldkonto Nr. 1 vorrätig haben. Der Notgroschen sichert die Rendite deiner weiteren Anlage, damit diese genug Zeit haben, sich zu entwickeln. Wenn du für einen „Notfall“ an deinen Notgroschen gehst, ist es wichtig, ihn auch zeitnah wieder aufzufüllen! Und nur so nebenbei: der gewünschte Traumurlaub ist kein Notfall. ;-)
Bleiben wir zur Veranschaulichung bei unserem Beispiel von Nadia und Paul. Beide verdienen jeweils 2.500 € pro Monat, bei sechs Gehältern sind das 30.000 €.
Stufe 3 – 6: Kurzfristige Liquidität
Geld, das du innerhalb der nächsten 48 Monate, sprich in den nächsten vier Jahren benötigen könntest, z. B. für ein neues Auto, einen bevorstehenden Umzug oder Eigenkapital für ein Haus oder eine Wohnung gehören keinesfalls in ETFs oder sonstige Anlagen investiert, sondern sollten auf Tages-/Festgeldkonten geparkt werden. Ähnlich wie eine frisch gesäte Pflanze, brauchen nämlich Geldanlagen, wie etwa ETFs, Zeit, damit sie Rendite bei gleichzeitig hoher Sicherheit abwerfen. Dementsprechend sollte das von dir recht kurzfristig verplante Geld auf Tages-/Festgeldkonten liegen. Um den Überblick zu behalten, lohnt es sich mehrere Tagesgeld- und Festgeldkonten zu haben. Ein Festgeldkonto lohnt sich für dich, wenn du dein Geld für einen klar definierten Zeitraum von einem Monat bis 10 Jahre anlegen möchtest und Wert auf Sicherheit und zuvor vereinbarte Zinsen legst. Wenn du es dir einfach machen möchtest, eröffnest du direkt zwei Tagesgeldkontos. Bis 100.000 € ist das Geld im Rahmen der Einlagensicherung geschützt. Wenn du es etwas detaillierter und renditeorienterter planen möchtest, kannst du folgendermaßen vorgehen:
- 0 bis 12 Monate = Tagesgeldkonto Nr. 2
- 12 bis 24 Monate = Festgeldkonto Nr. 1 mit 12 Monaten Laufzeit
- 24 bis 36 Monate= Festgeldkonto Nr. 2 mit 24 Monaten Laufzeit
- 36 bis 48 Monate = Festgeldkonto Nr. 3 mit 36 Monaten Laufzeit
Wenn die Festgeldkonten auslaufen, kommt das sich dort befindende Geld auf dein Tagesgeldkonto Nr. 2. Somit sicherst du deine kurzfristige Liquidität. Das Geld, das jetzt noch übrigbleibt, kannst du anderweitig investieren.
Sagen wir, unser Beispiel-Paar Nadia und Paul braucht innerhalb der nächsten vier Jahre weitere 12.000 €. Es bleiben also noch 50.000 € von ihren 100.000 € übrig.
Stufe 7: mittelfristige Geldanlage
5 bis 12 Jahre, so definieren wir eine mittelfristige Geldanlage. Nach oben hin kann das selbstverständlich jeder anders sehen, aber wir haben uns für 12 Jahre entschieden, da man in der Vergangenheit mit diesem Zeithorizont mit beispielsweise einem MSCI World-ETF nie Verlust gemacht hätte. Wichtig ist jetzt, dass du dir einerseits dein Risikoprofil mit deiner persönlichen Risikobereitschaft und andererseits deine Anlageziele vor Augen führst. Liegt dein Risikoscore beispielsweise bei 50, ist das maximale Risiko, das du psychologisch gut aushalten kannst, bei einer Aktienquote von ca. 50 %, ganz egal bei welcher Anlagedauer. Das bedeutet nicht, dass dies auch das Maximum ist, das du wählen kannst, sondern, dass alles darüber hinaus eine durchaus „sportliche“ im Sinne von nervenstrapazierende Entscheidung für dich ist.
Stell dir vor, du könntest dir vorstellen, in sechs Jahren ein Haus zu kaufen. Dein Ziel ist also, Eigenkapital für einen Immobilienkauf zu sparen. Der Anlagezeitraum steht folglich fest: Sechs Jahre. Hier kommt neben der Risikobereitschaft eine zweite Hilfestellung hinzu:
Pro 1 Jahr Anlagedauer = max. 10 % Aktienquote. In diesem Beispiel = maximal 60 % Aktienquote.
Wenn wir von Aktienquote sprechen, dann meinen wir ETFs, die in Aktien investieren. Wenn du Schritt für Schritt lernen möchtest, wie man konkret und einfach in ETFs investiert, dann ist unser DIY-Onlinekurs „ETFs für Anfänger:innen“ ideal für dich.
Es ist so weit – Du kannst nun Stufe 7 festlegen! Nadia und Paul würden zum Beispiel folgendermaßen vorgehen: Sie legen einen Teil ihres Geldes plus eine zusätzliche monatliche Summe in eine 50-%-Aktien-ETF-Strategie an mit einem Anlagezeitraum von sechs Jahren. Außerdem entscheiden die beiden sich, einmalig 30.000 € zu investieren und zusätzlich 300 € pro Monat. So haben sie über sechs Jahre knapp 51.600 € eingezahlt. Mit einer zu erwartenden Rendite von ca. vier % pro Jahr, sollte das für das benötigte Eigenkapital reichen.
Für Fortgeschrittene: Hat man innerhalb der fünf bis 12 Jahre verschiedene Anlageziele, die weiter voneinander entfernt sind, zum Beispiel ein Ziel, das in fünf Jahren umgesetzt werden soll und ein weiteres in 10 Jahren, dann könnte man hierfür auch noch eine Zwischenstufe einbauen.
Stufe 8: langfristige Geldanlage
Alles mit einer Laufzeit von über 12 Jahren läuft für uns unter einer langfristigen Geldanlage. Hier kann man noch einmal bewusster für sich entscheiden, ob man sich allein an seiner Risikobereitschaft, in unserem Beispiel von 50, orientiert und somit auch „nur“ eine 50-%-Aktien-ETF-Strategie wählt oder ob man durch einen langen Anlagezeitraum – zum Beispiel, wenn das Ziel Altersvorsorge lautet – bereit ist, mehr Risiko einzugehen. Aber Vorsicht, je höher die Aktienquote, desto mehr Verlust musst du aushalten können! Bei einer 100-%-Aktien-ETF-Strategie waren das in der Vergangenheit bis zu 55 % Verlust und es kann auch mal sein, dass man 12 Jahre keinen Gewinn gemacht hat.
Annika und Paul haben sich nach einer Menge Fachliteratur dafür entschieden, über ihr Risikoprofil hinaus eine 80-%-Aktien-ETF-Strategie zu wählen. Hier fließen 15.000 € rein plus 700 € monatlich. Wenn du jetzt aufgepasst hast, fragst du dich sicherlich: Moment mal, da fehlen doch 5.000 €?! Gut aufgepasst!
Die Rolltreppe
Mit einer Rolltreppe kommst du schnell rauf, allerdings kann es auch schnell wieder runtergehen… Die Rolltreppe steht daher symbolisch für dein eventuelles „Spielwiesen-Geld“. Damit ist Geld gemeint, das du anlegen möchtest, aber auf das du keinesfalls angewiesen bist und im Grunde verzichten kannst. Wenn du also Lust hast, in beispielsweise risikoreichere Anlagemöglichkeiten zu investieren, bietet sich das Core-Satellite-Prinzip an. Grundsätzlich gesprochen hat dieses Prinzip zum Ziel, dass deine Vermögensanlage stabil ist. Idealerweise sind um die 80 Prozent deiner Vermögensanlage eine breit diversifizierte Kerninvestition. Diese Kernanlagen sind für dich langfristig bzw. auf einen bestimmten Anlagehorizont hin geplant. Falls du danach noch Geld zum Investieren übrig hast und es tatsächlich nicht benötigst, kannst du es als „Spielgeld“ betrachten. Das bedeutet nicht, dass du nach der Corona-Pandemie sofort ins nächste Casino laufen sollst, sondern, dass du damit Einzelinvestitionen tätigen kannst, die teilweise ein höheres Risiko tragen, dafür aber auch oft ein höheres Renditepotenzial mit sich bringen. Einzelinvestitionen können Experimente sein, an die du glaubst, zum Beispiel Beteiligungen, Einzelaktien oder branchenspezifische ETFs. Stell dir diese Einzelinvestitionen als kleine Satelliten vor, die mit rund fünf Prozent um deine Kerninvestition verteilt sind.
So haben Annika und Paul sich zum Beispiel dazu entschieden, mit einem Satelliten zu starten und legen 5 % ihres Geldes in Kryptowährungen an.
Zusammenfassung
- Stufe 1: Girokonto = 8.000 €
- Stufe 2: Notgroschen = 30.000 €
- Stufe 3-6: Kurzfristige Liquidität = 12.000 €
- Stufe 7: Mittelfristige Geldanlage = 30.000 € + 300 € Sparplan pro Monat
- Stufe 8: Langfristige Geldanlage = 15.000 € + 700 € Sparplan pro Monat
- Rolltreppe: 5.000 €
Fazit
Jede Finanzentscheidung sollte individuell auf dich zugeschnitten sein. Damit du einen Überblick über dein Vermögen wie auch über deine Vermögensziele hast und strukturiert gute Finanzentscheidungen treffen kannst, hilft dir das Treppensystem. Damit dir allerdings das Treppensystem den nötigen Überblick über deine Finanzen und Vermögensziele geben kann, ist es zunächst wichtig, dass du im Vorfeld bestimmte Aspekte, wie etwa das Anlegen eines Notgroschens, geregelt hast. Dann kann deine kurz-, mittel- und langfristige Vermögensplanung erfolgreich beginnen und Schritt für Schritt umgesetzt werden. Als Hilfestellung dazu haben wir dir das Treppensystem übersichtlich zum Selbstausfüllen als PDF erstellt.
Lieber Ingo, super erklärt, vielen Dank – ich habs verstanden! – keine Änderung notwendig ;o), alles liebe und vielen Dank dir! Carolin (v. MadameMoneypenny)