Die Vorzüge eines ETF-Depots sind in aller Munde. Von fondsgebundenen ETF-Rentenversicherungen hat dagegen noch nicht jede:r gehört. Doch der Vergleich zwischen den beiden Möglichkeiten lohnt sich. Wenn nämlich beide Produkte die gleiche Kostenbelastung hätten, dann wäre die ETF-Rentenversicherung insbesondere für lange Anlagezeiträume das bessere Produkt – und damit äußerst attraktiv, wenn es um unsere Altersvorsorge geht. In diesem Blog-Artikel prüfen wir beide Produktarten auf Herz und Nieren. Natürlich fallen darunter auch die anfallenden Kosten, Steuern und die Renditemöglichkeiten. Du erfährst, was die grundsätzliche Funktionsweise der Produkte ist, worin gravierende Unterschiede liegen, was die Vor- und Nachteile sind, welches Produkt sich mehr lohnt und worauf du unbedingt achten musst.

Überblick

Rentenversicherungen erscheinen zunächst nicht besonders attraktiv, weil sie als zu unflexibel, teuer und renditeschwach gelten. ETFs hingegen werden immer beliebter. Mit reduziertem Risiko kostengünstig und simpel in weltweite Aktien zu investieren, lockt viele in den Markt. Was viele allerdings nicht wissen, ist, dass sogenannte fondsgebundene Rentenversicherungen ebenfalls die Möglichkeit bieten, in ETFs zu investieren und oft gar nicht so unflexibel und teuer sein müssen. Der Clou? Der Versicherungsmantel wirkt sich steuervergünstigend aus. Aber rechnet sich solch eine Anlage im Vergleich zu einem normalen ETF-Sparplan dadurch tatsächlich?

Was ist die grundsätzliche Funktionsweise von ETF-Versicherung und ETF-Depot?

Die Einzahlphase: Wie investiert man?

Bei der fondsgebundenen ETF-Versicherung wie auch beim ETF-Sparplan kannst du selbst entscheiden, wie viel und in welchem Rhythmus du investierst. Dass man sich bei Versicherungen auf fixe und unveränderliche monatliche Beiträge bis zum Rentenbeginn festlegen muss, ist inzwischen überholt. In puncto Flexibilität sind fondsgebundene ETF-Versicherungen inzwischen nahezu genauso beweglich wie es bei ETF-Depots der Fall ist. Du kannst dich entscheiden, ob du einmalige Beiträge einzahlen möchtest oder einen monatlichen Sparplan bevorzugst. Die einmaligen oder monatlichen Investitionen können sowohl beim ETF-Depot als auch bei guten Versicherungsprodukten verändert und deiner aktuellen Lebenssituation angepasst werden. So kannst du monatliche Einzahlungen hoch- oder runterfahren, pausieren, erneut aktivieren und auch einmalige Zusatzinvestitionen tätigen.

Die Auszahlphase: Wie komme ich an meine Rente? 

Bei beiden Produkten ist die Funktionsweise in der Einzahlphase, in der man Vermögen aufbaut, gleich. Die Auszahlphase kann als sogenannter Auszahlplan gestaltet werden, das bedeutet, man „entspart “ die Fonds/ETFs, die man zuvor bespart hat. Was viele nicht wissen: Das ist auch bei Versicherungen möglich. Eine Versicherung bietet nämlich nicht nur die Auszahlung als lebenslange Rente an, sondern auch die Option des Entsparens. Der Unterschied: Wenn die lebenslange Rente gewählt wird, investiert die Versicherung das Geld ab Rentenbeginn auf ihre gewählte Art risikoarm. Wenn die Option gewählt wird, sich das Geld schrittweise aus den Fonds/ETFs auszahlen zu lassen, entscheidet man weiterhin selbst, in welchen Fonds/ETFs das Geld investiert sein soll. Die Entscheidung für die Art der Auszahlung muss dabei erst zu Rentenbeginn getroffen werden.

Um eine faire Vergleichbarkeit zwischen beiden Produktarten zu haben, gehen wir in diesem Artikel bei der Versicherung ebenfalls von dem Entsparen der Fonds/ETFs aus.

Die Vor- und Nachteile einer fondsgebundenen ETF-Versicherung und eines ETF-Depots

Zunächst noch einmal zur Konkretisierung: Wenn wir hier über fondsgebundene ETF-Versicherungen sprechen, dann meinen wir damit private fondsgebundene Versicherungen, also ohne Rürup– oder Riester-Förderung und auch keine betrieblichen Vorsorgeprodukte.

Eine ETF-Versicherung und ein ETF-Depot ähneln sich als Produkte sehr, vor allem, wenn man sich ihre Struktur und ihren Grad der Flexibilität anschaut. Sie unterscheiden sich im Grunde nur in Hinblick auf Kosten und Steuern.

Der große Vorteil einer ETF-Versicherung ist, dass der Staat die Anlage fördert – und zwar mit Steuervorteilen.

Erster Vorteil: Erträge werden geringer besteuert, wenn man sie nach 62 Jahren und 12 Jahre Vertragsdauer entnimmt. Um genau zu sein, werden die Erträge dann nur zu 50 % besteuert, während beim ETF-Depot Kapitalertragssteuer auf die vollen Gewinne anfällt. In beiden Fällen gibt es Steuerfreibeträge zu beachten, dementsprechend gelten die Aussagen für Erträge oberhalb der Steuerfreigrenzen.

Zweiter Vorteil: Bei Fonds-Umschichtungen fallen gar keine Steuern und Kosten an.

Dritter Vorteil: Im Todesfall kann das Vertragsvermögen kapitalertragssteuerfrei an die Erben ausgezahlt werden.

Diese Vorteile sind gleichzeitig die Nachteile eines ETF-Depots: Zum einen zahlt man höhere Steuern auf die Erträge im Rentenalter und bei Umschichtungen fallen Kosten und Steuern auf Erträge an. Das gilt auch fürs Rebalancing.

Ein zusätzlicher, erwähnenswerter Vorteil der Versicherung ist, dass das Rebalancing von den meisten Produkten ohne Aufpreis automatisch durchgeführt werden kann. Auf einem Depot nimmt man das als Anleger:in in der Regel selbst vor.

Vorteil des ETF-Depots: Es ist kostengünstiger als ETF-Versicherungen, je nach Vertragsart sogar deutlich, und das ist sehr entscheidend. Gemeint sind hier Kosten, die innerhalb der Produkte anfallen und somit die Produktrendite mindern.

Zu der Bedeutung der Kosten kommen wir gleich noch. Wichtig zu verstehen ist an dieser Stelle erst einmal, dass wenn beide Produkte die gleichen Effektivkosten hätten, die Versicherung ganz eindeutig die bessere Variante wäre, um Vermögen fürs Alter aufzubauen. In der Realität sind die Kosten jedoch nicht gleich. Die Frage ist also, wie hoch die Kostenbelastung bei einer Versicherung sein dürfte, damit sie das Depot immer noch schlägt.

Lohnt sich eine ETF-Versicherung?

Die Grundfrage lautet also: Wie viel teurer darf die private fondsgebundene Rentenversicherung, kurz FRV sein, damit die Steuervorteile immer noch für eine Outperformance gegenüber dem ETF-Depots sorgen? Wir beginnen mit einer Beispielberechnung für eine neunundzwanzigjährige Investorin.

Wenn Nida jedes Jahr 5 % des Fondsvermögens umschichtet (z. B. fürs Rebalancing), dann dürfte die fondsgebundene Versicherung mit ETFs Effektivkosten von maximal 0,35 % haben, um pari mit dem ETF-Depot zu stehen. Wenn sie 10 % das Fondsvermögen pro Jahr umschichtet, dann dürfte die FRV maximal 0,48 % Effektivkosten haben.

Das sieht zunächst nach gar nicht so hohen Kosten aus. Ob das allgemeingültig ist, muss jedoch durch weitere Berechnungen geprüft werden. Wie in der Beipielbox oben dargestellt, gibt es einige Variablen, die man definieren muss, wie zum Beispiel das Alter der jeweiligen Person, wie viel Rendite die Fonds/ETFs erwirtschaften, wie häufig man umschichtet, wie hoch Steuerfreibeträge und Basiszinsen sind und natürlich auch wie hoch der Steuersatz ist, den die Person im Rentenalter hat, wenn sie das Geld entnimmt. Selbstverständlich hat auch die Auswahl der Fonds/ETFs eine Auswirkung, allerdings gehen wir in unserem Vergleich fairerweise davon aus, dass wir in Versicherung und Depot dieselben ETFs wählen.

Je nachdem, wie man diese ganzen Variablen ansetzt, kommen wir natürlich auf sehr unterschiedliche Ergebnisse. Wenn man beispielsweise mehrere Umschichtungen des Fondsvermögens und regelmäßige Rebalancings einkalkuliert, ist das vorteilhaft für die Versicherung, weil hier Umschichtungen kosten- und steuerfrei erfolgen können. Ein niedriger persönlicher Einkommenssteuersatz in der Auszahlphase wäre ebenfalls vorteilhaft für die Versicherung. Ein hoher Basiszins wäre für das Depot vorteilhafter sowie auch kürzere Anlagezeiträume und niedrige Fonds/ETF-Renditen.

Eine eindeutige Lösung gibt es daher nicht. Um aber trotzdem eine allgemeingültige Antwort auf die Ausgangsfrage geben zu können, also wie viel teurer das Versicherungsprodukt sein darf, damit es das Depot schlägt, können wir alle Parameter einmal so auswählen, dass sie eher das Versicherungsprodukt bevorteilen, und einmal umgekehrt. So erhalten wir eine Art Worst- und ein Best Case-Szenario.

Das verblüffende Ergebnis aller Berechnungen: Die Effektivkosten einer Versicherung dürfen um maximal 0,7 % höher liegen als die des Depots, damit sie das Depot schlägt. Liegen die Effektivkosten darüber, dann ist der positive Effekt durch die Steuervorteile selbst bei günstigen Annahmen (regelmäßige Rebalancings, mehrere Umschichtungen etc.) nicht stark genug, um ein ETF-Depot zu schlagen.

Kein einziges Versicherungsprodukt mit einkalkulierten Vermittlerprovisionen schlägt das Depot

Nun drängt sich natürlich die Frage auf: Gibt es überhaupt so günstige Versicherungsprodukte? Die Antwort ist Ja, aber nur sogenannte Nettotarife kommen an diese geringen Kostenquoten heran. Nettotarife sind Versicherungsprodukte, die keinerlei Vermittlungsprovisionen enthalten. Die Gegenstücke mit Provisionen nennt man Bruttotarife und es gibt keinen einzigen fondsgebundenen Bruttotarif am Markt, der annähernd an diese geringe Kostenquote herankommt. Somit raten wir dringend vom Neuabschluss von Versicherungen über Provisionsvermittler:innen ab. Die Effektivkosten von guten Nettotarifen liegen zwischen 0,2 und 0,3 % p.a.

Nachteil von Nettotarifen: Zum gegenwärtigen Zeitpunkt kann man einen Nettotarif nicht kostenfrei abschließen, sondern zahlt dafür eine Vermittlungsgebühr. Damit die Vergleichsrechnung zum ETF-Depot weiterhin positiv zugunsten der Versicherung ausfällt, sollte die Vermittlungsgebühr nicht zu hoch sein. Wenn das Vermittlungshonorar für den Abschluss eines Nettotarifs bei mehr als 1.000 € liegt, lohnt sich diese Investition im Vergleich zum Depot nicht.

Psychologischer Vorteil bei ETF-Versicherungen

Die Tatsache, dass Fondsumschichtungen innerhalb von Versicherungsprodukten kosten- und steuerfrei sind, haben wir bereits erwähnt und wir haben auch festgestellt, dass der Renditeeffekt dadurch langfristig rein rational gesehen relativ klein ist. Wir halten es an dieser Stelle jedoch für durchaus erwähnenswert, dass die Entscheidung zur Umschichtung bei einer Versicherung deutlich leichter fallen wird als bei einem Depot. Denkt man beispielsweise über eine größere Umschichtung nach – zum Beispiel, weil neue ETFs auf dem Markt sind oder man sich entschließt, nachhaltig zu investieren oder das Risiko zu verändern – dann ist das im Versicherungsprodukt leicht umsetzbar. 40.000 € also von dem alten in den neuen Fonds umschichten? Kein Problem! Der Vertragswert wird bei Umschichtung nicht gemindert. Beim ETF-Depot werden Steuern auf Gewinne und Kosten beim Umschichtungsvorgang direkt abgezogen. So könnten aus den 40.000 € gut und gerne mal 38.000 € werden. Das geht möglicherweise nicht ganz so leicht von der Hand. Der Wunsch, Steuerzahlungen zu vermeiden, führt beim Depot häufig dazu, dass man die Entscheidung zur Umschichtung immer weiter aufschiebt oder komplett darauf verzichtet, was aber möglicherweise nicht dem Anlagewunsch in dieser Situation entspricht.

Unsere Empfehlung

Wir empfehlen beide Produkte im Portfolio zu haben, um von allen Vorteilen profitieren zu können. Entnahmen, die vor dem 62. Lebensjahr gemacht werden, sollten aus dem Depot getätigt werden, da Entnahmen aus der Versicherung in dem Fall steuerlich noch nicht begünstigt werden. Nach dem 62. Lebensjahr sind Entnahmen aus dem Depot aus steuerlicher Sicht teurer als aus der Versicherung. Man könnte aber kleinere Entnahmen im Rahmen des Steuerfreibetrags für Kapitalerträge weiterhin aus dem ETF-Depot tätigen. Darüber hinaus sollte die fondsgebundene ETF-Versicherung für Entnahmen genutzt werden, da die Erträge geringer besteuert werden. Für Anpassungen der Anlagestrategie in Bezug auf die Fondsauswahl ist die Versicherung aufgrund der kosten- und steuerfreien Umschichtungsmöglichkeiten besser geeignet als das ETF-Depot.

Fazit

Das ETF-Depot und die private fondsgebundene Rentenversicherung sind zwei sehr ähnliche Produkte, die für den Aufbau von (Alters-)Vermögen genutzt werden können. In puncto Fondsauswahl, Flexibilität sowie Ein- und Auszahlmöglichkeiten gibt es kaum Unterschiede.

Die ETF-Versicherung ist das teurere Konstrukt, kann aber dank ihrer steuerlichen Vorteile das ETF-Depot outperformen. Die steuerlichen Vorteile werden jedoch häufig überschätzt. Sie bleiben als Vorteil nur dann existent, wenn die Effektivkostenbelastung des Versicherungsproduktes bei maximal 0,7 % zzgl. Fondskosten liegt. Solche Versicherungsprodukte gibt es, allerdings kommen dafür nur provisionsfreie Tarife (Nettotarife) infrage. Die Anschaffungskosten für einen solchen Vertrag sollten nicht über 1.000 € liegen.

Hinweis: In Versicherungsprodukten werden die Effektivkosten immer inklusive Fondskosten angegeben, während wir in unseren Berechnungen die Fondskosten außen vorgelassen haben, weil wir ja unterstellt haben, dass wir bei Depot und Versicherung dieselben Fonds auswählen. Wenn man also überprüfen möchte, ob ein angebotenes Produkt unter den 0,7 % liegt, dann muss man von den angegeben Effektivkosten im Versicherungsangebot noch die Fonds-/ETF-Kosten (TER) abziehen.

Wer keine Lust darauf hat, jährlich manuell sein Depot zu rebalancen, für den wäre die Versicherung mit automatischem Rebalancing sicherlich eine elegante Lösung. Und wer den Erbfall beim Aufbau von Vermögen schon mitbedenken möchte, sollte die ETF-Versicherung definitiv mit ins Portfolio nehmen.

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